PJ MEDEA

Theaterperformance in Zusammenarbeit mit Andrea Kurmann, Leo Bachmann und Ursula Bachman

Erstaufführung: 28. Oktober 2005, Blauer Saal im Löwenbräuareal Zürich

Medea ist der Mythos einer grossen Umwälzung des menschlichen Bewusstseins. Er beschreibt den Übergang einer mythisch geprägten schamanistischen Kultur zu einer logos geprägten abendländischen Kultur vor mehr als 2000 Jahren. Obwohl sich das Abendland seit geraumer Zeit von symbolischen Erklärungsmustern abgekoppelt hat, kehren sie heutzutage über globale, mediale Katastrophenereignisse zurück.

Das im Medea-Mythos seit Euripides wiederkehrende Zerstückungsmotiv ist Angelpunkt der künstlerischen Umsetzung. Dieses Motiv erzählt meines Erachtens am deutlichsten den Übergang der alten in die neue Gesellschaftsordnung vor mehr als 2000 Jahren und deren Entwicklung bis hin zu «Medeamaterial» von Heiner Müller Ende des 20. Jahrhunderts. Müller setzt den Medea-Mythos in eine Landschaft der Katastrophe. Seine Adapation erscheint am Anfang des 21. Jahrhunderts fast prophetisch. Die Zerstückungsmotive im Medea-Mythos weisen jedoch gleichzeitig auch auf alte rituelle, schamanistische Handlungen vor Euripides zurück. Sie klingen im Text von Heiner Müller wie ein mythischer Nachhall. Die künstlerische Umsetzung strebt ein konsequentes Aufbrechen der Sprachlandschaft Heiner Müllers an mit der in der Folge beschriebenen Rauminstallation. Ziel ist es einen poetischen Weitblick hinter Euripides zu werfen, um so andere Aspekte von Medea als Heilerin bzw. Verjüngerin mit in das Zerstückungsmotiv zu integrieren und im besten Falle Medea ein ästhetisches Gleichgewicht zurückzugeben – EINE ART RÜCKFÜHRUNG UND EINWEIHUNG gleichermassen.

Die Rauminstallation besteht aus vier fahrbaren Wagen, ehemaligen Säuglingsbettchen. Den Wagen räumlich zugeordnet ist eine Plexiglasprojetionswand, die den Ausblick in die vor-griechischen Schichten des Medea-Mythos öffnet. Gleichzeitig sieht man in der Videoprojektion in einer zweiten Bildschicht eine Ringfahrt in der Berliner U- und S-Bahn, was wiederum eine Verbindung zum Textfragment von Heiner Müller herstellt. Zur Entstehung des Textes schreibt Heiner Müller: «Meine erste Berlin-Erfahrung war die S-Bahn, besonders die Ringstrecke, auf der man immer den gleichen Kreis durch Berlin und um Berlin herum fahren  konnte.»  Die Schicht der Textentstehung dringt so aus dem Unterschwelligen wieder hervor. Diese Bildschicht kann in einer nächsten wieder aufgebrochen werden, ganz nach dem Motto, dass der Mythos und dessen Symbole mit neuen Bildern überhöht und korrigiert werden muss.

Demzufolge ist die Plexiglasprojektionswand eine immerwährende Möglichkeit in andere Schichten dahinter und darunter zu schauen – das Innehalten für Assoziationen. Die Rauminstallation mit Wagen und Projektonswand wird mit den Performerinnen als Schnittstelle flexibel. Sie weisen die Installation ein und an. Sie nehmen sie auseinander, verändern sie. Sie sind mit ihr konfrontiert, in und von ihr gefangen, kreativ gefordert und beschreiben damit Formationen und Deformationen des Mythos, des Körpers, nicht zuletzt der Frau, die sie wieder zusammensetzen. Anders. Neu.


Fotos: Teresa Salerno

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