Für die Bäume (Frühling)

Fotos: Hansjörg Pfister-Köfler

Das BSINTI ist in dieser Jahreszeit geschlossen. Wir gehen von dort los zum Schleimenwald und werden das Gespräch im Nussbüel führen. Meine Notizen sind anders und die Situation ist für das Gespräch nicht ideal: an zwei Tischen kurz vor dem Regen. Teilnehmende in Aufbruchstimmung. Auch die Performance war anders und ich habe versucht zu benennen, was ich wahrgenommen habe. Zuerst insgesamt, dann im Einzelnen.

Am Eingang zum Schleimenwald erhielten wir eine Handlungsanweisung. Wir sollen schweigend gehen FÜR die Bäume. Im eigenen Rhythmus und gemeinsam. Kollektiv. Gemeinschaft von Mensch und Wald. Nicht sprechen, in einer Zone höherer Wahrnehmung.

Die Performance findet an mehreren Stationen auf dem Weg durch den Wald statt. Ich habe den Eindruck einer Partitur. Einzelne Akte, Sätze. Rhythmus. Wie aufgereiht an einer Schnur. Ich kam mir vor wie verschluckt: am Eingang des Waldes, in die Performance und meine Wahrnehmung hinein und am Ende wieder ausgespuckt. Auf dem Weg: eine Dramaturgie von Wortspielen, Sprechakten, Musik und Tönen. Als starkes Bild bleibt mir die ZUWENDUNG. 

Zu Beginn also eine Handlungsanweisung und das Verteilen der mitgebrachten Materialien. Es sind die einfachen Tafeln aus Pappkarton mit Holzstielen. Diesmal tragen sie nicht Fotos des nicht bespielbaren Performanceortes, der Bäume zu denen wir im Winter nicht gekommen sind, die Namen der Stürme, die verhindert haben, dass wir zu den beiden Winter-Bäumen und ihrer Aussicht gehen. Diesmal sind es durchgehend Worte auf den Tafeln. Angelas Text, den sie an einigen der Stationen sprechen wird. Text, den eine der Teilnehmenden ihr hinhält. Das ist eines der Bilder von ZUWENDUNG, die mir stark bleiben. Angela spricht die Tafel an, den Teilnehmer, der zum Mithelfer oder Mitperformer wird. Eine Art Dialog, Zuwendung, für die Bäume.

Erste Station an einem Bach, der aus drei Bächen zusammenfliesst. Braunwasser. Die Geräusche des Baches zusammen mit Leos Tuba. Hinhören. Schauen. Einstimmen. Wahrnehmung schärfen. Übergang.

Dann kommt lichter Ahorn. Meine ich jedenfalls. Ein Hang mit frühlingsgrünen Bäumen, den Angela betritt. Wir bleiben auf dem Weg. Die Tuba melodiös. Das Horn: Schrei, Ruf, Signal. Hell und Tief gegeneinander. Rhythmisches Zusammenspiel. Angela legt sich in die Biegung der Bäume, die aus dem Hang in die Höhe wachsen. Ihre Form – wie die von Alphörnern. 

Bei einer Tannengruppe: die erste Deklamation von Tafeltexten. Wie Soli mit Gegenüber. Im Notizbuch: Zeichnungen der Tuba, des Sprachrohrs und der Tafel, auf die das Sprachrohr gerichtet ist. Rhythmische Wortkaskaden.

Nächster Halt: eine Brücke mit Bänkli. Leos Tuba blubbert ein stilles Stück. Angelas Rohre lauschen und verstärken. Sie hält sie den Teilnehmenden an die Ohren, steckt sie zusammen. Instrumente und Performende im langsamen stillen Tanz bei Kirchenglocken und Bachrauschen.

Eine Bucht am Weg mit einem grossen Stein auf dem ein Baum wächst: wieder Text. Im Notizbuch:

Wann
See
ist
weiss Tanne
was ein nest

Dazu höre ich James Bond -artigen Sound.

Gelee
Erbe

Arten
Vielfalt

Natron Notenart – mit einem Kringel um das Wort «Not» in meinem Notizbuch.

«Tolle Worte» – unterstrichen.

Wir kommen zum Ausgang bei einem roten Bänkli.
Starkes Bild: aus dem Wald raus blickt man auf einen grossen Berg. Dreht man sich um, sieht man auf Häuser in Braunwald. Gebautes.

Jetzt kommt die ganz lange, hohe Texttafel zum Einsatz. Viel Text. Rhythmisch vorgetragen. Sich zuspitzend. Ein Finale. Zum Schluss:

Asphalt
Halt

Im Gespräch: Dankbarkeit für das Schweigen. Die Unterbrechung der kleinen Gespräche auf dem gemeinsamen Hinweg und dem diesmal individuellen Rückweg. Konzentration. Zone erhöhter Wahrnehmung.

Susanne Kudorfer, Kunst- & Kulturvermittlerin – Juli 2018

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