Für die Bäume (Winter)

Fotos: Fridolin Walcher

Wirklich Winter. Wirklich Weiss

Performance in der Landschaft. Auf einen Ort reagieren, den man ausgewählt hat. Etwas dazu tun, das damit zu tun hat. Nicht zu viel. Was verändert die Performance an dem Ort? Was lässt sie uns wahrnehmen, das uns sonst vielleicht nicht aufgefallen wäre?

Bäume im Winter. Gepolstert. Die Landschaft. Raum ohne Weite. Weisser vor Weiss.

Landschaft als Bühne. Szenerie. Grossartiger Rahmen. Bäume als Statisten oder Akteure. Staffage oder Schauspieler. Requisit oder Architektur. Lebendig. Gewachsen. Gesetzt. Geworden. Gelassen.

Performanceplatz

Du bist die Fichte/ Rottanne
Und die Aussicht der Fichte, wer will die sein?

Heute machen wir mit.

Schneefeld zu beiden Seiten.
Wir stehen auf dem geräumten Weg.
Schifahrer und Spaziergänger kommen vorbei.

Am Weg entsteht ein Bilderwald. Schilderwald. Fichtenwald. Eine Demo. 

Angela robbt den Hang hoch.

Den Weg dahin gestapft. Du bist der Weg.
Für uns und die Bäume machen wir eine Performance.
Die Performer versinken im Schnee.

Ein Wortband wird entrollt. Ein weisses Band. Der Schnee davor sieht jetzt grau aus.
Der Ort hat etwas von einem Theater. Abfallend.

Ich sehe die Buchstaben halb. Kann sie nicht richtig lesen.

O Baum
w . . . . .
Ein Baum von dir
o o dein Kleid
gibt zu . . . . 

Leo packt das Instrument aus: ein Rohr aus dünnem Baumstamm oder Ast.
Angela: oh Baum. wie grün. du grünst. im Winter. es schneit. es schneit. grün. grüün. deine Blätter grün. O Baum. O Baum.
Es trötet und brummt aus dem Instrument.

Leo brummt, Angela ruft ihre Baumworte
aufeinander zu, am Schriftband entlang

Ein Baum von dir
du kannst mir
o o dein Kleid

Atemlos heiter werden Burglind und Friederike mit angerufen

gibt zu jeder Zeit
o wie grün dein Kleid

die Worte wandern zurück auf die Schriftrolle

Körperkunst
Atem Stimme
Worte
Bilder
Material

ein Auftritt in der Landschaft

aufeinander zu
voneinander weg
und miteinander tönender Dialog

sich ausbreiten und wieder einrollen

die Glocken läuten als ihr wieder auseinander geht

Übergänge
vom Spazieren zum Performen
vom Mitmachen zum Zuschauen
vom Vorbereiten zum Ausbreiten 

Zusammenräumen

Erschöpfung
gerollt das letzte Stück

Ereigniskunst

geplante und ungeplante Ereignisse 

Gegebenheiten

Ort
Mensch
Handlung
Material

Fridolin Walcher, der Veranstalter vom BSINTI spricht von Energien als wir zurück sind: rebellisch, stark. Vom Menschen in Fahrt zu bringen: So, jetzt bin ich hier, an dem Platz und jetzt mach’ ich das. Weiter habe ich aus den Gesprächen notiert: Arena, lieblich, zart, fein, in die Natur eingereiht, Band immer länger, Kraftakt auf Distanz, Interaktion zwischen euch, Beziehungsspiel, am Leintuch stricken, knüpfen. Hingabe, Anteilnahme an diesen Bäumen. 

Teilnehmende sprechen vom Zusammenrollen der Schrift als Gebet, sakral, ruhig. Eingerollte Eindrücke. Verschiedene Stimmungen. Schön. Langsam.

Stark ist das Bild vom Band im Schnee. Das beige Klebeband der Buchstaben auf dem weissen Stoff wurde auch golden gesehen. 

Im Text war so viel vom Grün die Rede. Hab’ mir einen Laubbaum vorgestellt. Tannen wirken im Winter eher grau als grün. Grün gehört und nicht gesehen.

Jede Fichte hat eine eigene Geschichte. Weide- und Wetterfichten. Wichtig für Vieh, als Unterstand, sagt der Förster.

Es wird gefragt: warum «Für die Bäume»? Angela erzählt von ihrer Arbeit «Für die Vögel» und von John Cage. Es ginge um die Auswahl, darum Wahrnehmung zu schärfen, erlebbar zu machen, was wir wahrgenommen haben, uns für sie einzusetzen. Im Herbst war es das Vogelbääri auf dem Bergahorn. Die Art und der Ort. Das Wesen von Baum und Mensch. Das Sehen in der Gesellschaft der Bäume. Nächstes Mal gehen wir in den Schleimenwald.

Aus einem Zeitungsinterview mit Don de Lillo notiere ich: «Wann war es je der Fall, dass Sprache wirklich Realität beschreiben könnte.»

Susanne Kudorfer, Kunst- & Kulturvermittlerin – Juli 2018

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