Für die Bäume (Sommer)

Fotos: Christine Bänninger

Ein frisches Notizbuch. Wir wandern wieder gemeinsam los vom BSINTI mit Zustossenden am Schwettiberglädeli. Es kommen neue Leute und Bekannte. Es geht hoch in die dem Schleimenwald entgegengesetzte Richtung. Wie sähe „Für die Bäume“ auf einer Geländekarte aus? Der Weg führt uns aus dem Siedlungsraum heraus. Es weiten sich der Blick und die Landschaft. Kleine Grüppchen plaudernd in der eigenen Geschwindigkeit. Zwischenhalt an einer Abzweigung. Noch weiter heraus aus der landwirtschaftlichen und ferienwohnenden Bebauung. Die ersten bleiben stehen. Beat hält das zu öffnende Ende eines Viehzauns in der Hand.

ins Gelände
durch den Zaun

Gebimmel
ein kühlendes Lüftchen

nicht vertrampen
mal absitzen
Beeren essen

Angela ist in einer Tanne verschwunden

frei bewegen
im Gelände verteilen
einen Platz finden

Panorama
Baumstumpf
Tannengruppe

Leo ist verschwunden

Ausschweifen

jetzt tönt es aus den Tannen
eine rhythmische Melodie mit hohen sprudelnden Lautfolgen

Vogelbeer

Sprechgesang zum Tubarhythmus

ich komme zu eurem Baumsitz ins Innere
ein langer Text
fachlich zum Vogelbääribaum, der Eberesche
Sie wurde im Herbst angerufen

Angela kommt mit ihrer langen Sprechtafel
Leo swingt in der Baumhöhle
die Kühe läuten von einer Seite

jetzt wird’s medizinisch

Bombe mit Vitamin C

Leo lässt sich blicken

Beeren verschluckt und geschissen

So geht Vermehrung bei dieser Art

Jetzt sehe ich erst das kleine Bäumchen

Platzwechsel

Beat trägt «wie grün»

«o Baum» kommt auf mich zu

Leo jetzt zarter, höher, singender, fast alphornmässig

die Worte verteilen sich und richten sich auf
und aus
zu den Bäumen

richte dich an eine Tanne

«Dein Kleid»

«wie grün»

«Du grünst»

«o Baum Baum»

das lange Spruchband vom Winter in Stücken verteilt an uns Teilnehmende

Angela schultert den Lautsprecher und zieht davon

Alphornmelodie auf Leos Tuba zum Kuhgeläut

jetzt tönts seltsam von Angelas Fels

das Mikro kreist und erzeugt so was wie Vogelschreie
oder sind es Stimmen?
es kreischt

Leos Tonart ändert sich Richtung Geblubber
Didgeridoo

Schwingen

ein Schmetterling kreist mit dem Mikro um Angela

ich erinnere mich an den Herbst als Angela mit den Textfahnen auf dem Baumstumpf stand

es singt aus der Tuba zum Brummen
es ruft und quietscht von Angelas Seite
ein Dialog von Klang und Schwingen

Leo verstummt
Angelas Schwingen klingt aus

«Dein Kleid»
weht im Lüftchen

«O Baum»
wurde zum Rock 

ein anderes Textband wird schaukelnd gewogen

«wie grün»
läuft vorbei und kommt auf mich zu
bevor es sich neu ausrichtet auf eine Tanne

Angela beginnt die Worte einzusammeln

Was die Kühe von all dem mitbekommen haben?
Und die Tannen?

Eine Umarmung zum Schluss. 

Danke!

Wir stehen noch ein wenig rum, Pflanzen werden untersucht, gepflückt, bestimmt. Jemand zeigt auf die Vogelbeerbäume, die aus den Tannen rauswachsen – oder umgekehrt.

Entspannter Rückweg mit Halt am Laden. Ablegen des Performancematerials am Heuerberg. Auf dem schöneren Weg zurück ins BSINTI. Wir sitzen im Freien zusammen an einem dreiteiligen Tisch. Ich beginne das Gespräch wieder mit dem Vorlesen meiner Notizen und frage nach den Eindrücken der Anwesenden. Von diesen Stimmen notiere ich:

als ich mit meinem «O» dastand

wandelnde Installation

frei bewegen? ich stocke. bin müde. will mich hinlegen. geh doch mal unter die Tanne wenn du Angela nicht verstehst.

die klänge hatten etwas sehr Ursprüngliches. mehrstimmig auf eine andere Ebene geraten. wie wenn die Natur etwas geantwortet hätte. andere Dimension. sehr eindrücklich. Antwort im Doppelton. Zusammen mit zwei Seiten. Reaktion der Natur. Leos Klänge von der menschlichen Geschichte.

mir hat so Eindruck gemacht, dass der Vogel den Baum gemacht hat
besonders und unscheinbar. nicht so grossartig und würdevoll. mit der ganzen Geschichte dazu. immer in anderen Bäumen.

Pionierbäume. lassen die Tannen durchwachsen und sind mit ihnen.

dieses Geschiss bekam so eine feierliche Würde durch deine Tuba.

mich hat wieder berührt die Auswahl des Platzes. wie ein geschützter Raum in diesen Baumgruppen.

irgendwo hingehen. sich setzen. aufhalten. Klänge dazu. Umgebung wahrnehmen. Sachen sehen, die man sonst gar nicht wahrnimmt. Wichtigkeit auch in der Medizin. nicht so prominent dastehen.

den Ort finden. in den Tannen ein grosser dicker Vogelbeerbaum.

meine Einstellung zur Vogelbeere hat sich geändert. irrsinniger Respekt nicht nur für die Vögel.

wann fängt eine Performance an? wann endet sie? für wen? für mich ist der ganze Nachmittag die Performance. vielleicht bin ich noch mittendrin.

wo beginnt’s? nicht ohne Spaziergang

anders in den Raum kommen
so anders, weil in der Natur nicht vorhersehbar
gemeinsame Bewegung

Gefühle einer Manifestation
Transparente zu den Bäumen hin
letztes Mal mit den Panneaus

nicht alles sehen war speziell

Dilemma zwischen lose und luege
leichte Überforderung
Augen auf und zu

hin und her hielt mich in Bewegung

ich hab’ dich gesehen auf deinem schönen grünen Tuch, bedeckt von der Fahne

am Anfang nicht sehen war gut für’s ankommen
hab’ mich für’s hören entschieden
hat mir Mut gemacht nicht zu schauen

hab’s riesig genossen das Akustische
konnte mein Talent als Hörender ausleben

schauen löst sich auf wenn ich einbezogen bin

ich muss es noch den anderen Tannen zeigen

was passiert wenn wir vom Besucher zum Teil werden

Ansprache und Teil dieser Umgebung werden. mehr als Bäume. Bild. Agieren und Sein, das sich einfügt in einen Ort

hätte noch länger dauern können

Kommunikation von Klang und Aktion in Bezug mit dem Ort

der Ort ist so anders wenn da 20 Leute sind. die machen dann da ganz was anderes. Überraschung für uns vielleicht grösser als für euch. die Kühe. so nah waren sie noch nie.

Zusammenspiel mit der Herde. der Klangkörper hat sich verschoben

wie mit den Tüchern dieser Raum entstanden ist

Susanne Kudorfer, Kunst- & Kulturvermittlerin – Juli 2018

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