Ceci n’est pas la même performance

Ceci n’est pas la même performance. Und doch würde ich sagen, dass ich zweimal dieselbe Performance gesehen habe, wenn sie auch beide Male sehr unterschiedlich war.

Ich bin überrascht, als mir nach Beginn der 2. Aufführung klar wird, dass wir noch einmal dieselbe Performance sehen werden. Man weiss ja, dass in der Zwischenzeit fünf Tage „Work in Progress“ im Kaskadenkondensator vergangen sind. Die Wiederholung der Performance befriedigt mich im Rahmen vom Projekt Ich war eine Schauspielerin sehr. Sie macht enorm Sinn, da das mehrmalige Aufführen im Theater gegeben ist. Das ist einer der vielen Fäden, die Angela in diesem Projekt zwischen Theater und Performance spinnt.

Auch bin ich froh, dass die sorgfältig und schön gestaltete Ausstellung nicht gleich nach der Vernissage wieder verändert wird, und damit die Mögichkeit erhalten bleibt, sie länger auszukosten. Zu sehen sind Theaterkostüme, welche Angela als Schauspielerin getragen hat, die von Performance-Freund*innen für Angela geschriebenen Handlungsanweisungen mit den Kostümen, sowie Videos, in welchen Angela die Handlungsanweisungen für die Kamera performt.

Einige der Handlungsanweisungen werden in der Performance 1:1 aufgeführt, andere bieten den Rahmen um Erinnerungen an die Schauspielzeit zu erzählen. Bei der ersten Performance habe ich den Eindruck, geht es um eine Abrechnung mit dem Theater, um ein sich Befreien von den einengenden Verhältnissen, die wütend machen. Die ewig selben Rollen als Mütter und Partnerinnen von Protagonisten. Nach der Pfeife der Regisseure tanzen müssen. Eigenes Hand anlegen war im Theater nicht erwünscht, die Hierarchien wurden immer mal wieder verfestigt, auch nach unten, wenn sie z.B. das Verschieben der Gegenstände den Bühnenarbeitern überlassen musste, sie sich als Schauspielerin aber genau als solche empfand. Der Traumberuf Schauspielerin wird in der energiegeladenen Performance vom Sockel geholt.

Die zweite Aufführung ist versöhnlicher als die erste, bedächtiger und nachdenklicher. Das Untersuchen von „moi mir“ (russisch, meine Welt), beziehungsweise der unterschiedlichen Welten, kommt mehr zur Geltung. Verschiedene Rollen und Identitäten werden thematisiert. Dass man der eigenen Heimat fremd wird, weil nun in den Ohren der Einheimischen sogar Angelas Schweizerdeutsch eine ausländische Note hat. „Holland oder so“, tippen sie. Oder wenn sich Angela fragt: „Bin ich die Figur oder bin ich Angela? Tanjangela.“ Oder ganz zu Beginn der Performance, schlüpft die private Angela in ihre Performancekleidung: Sie zieht Wanderschuhe aus, zieht andere Wanderschuhe an, die dank den schwarzen Hochwasserhosen gut zur Geltung kommen und die Schritte im Jetzt auf dem Holzboden deutlich hörbar werden lassen. Sie zieht den Pulli aus. Darunter kommt das weisse T-Shirt zum Vorschein mit hinten und vorne „Ich war eine Schauspielerin“ daraufgeschrieben. Die Armbanduhr zieht sie ebenfalls aus – Zeit spielt beim Performen nun keine Rolle.

Da sind auch typische schöne Performancegeräusche, denen Raum gegeben wird: der auf dem Boden tanzende Stab, der Papiersack, der zum Berg gedrückt wird. „Die Rolle war immer da und war blind. Ich malte was ich hörte.“ Jetzt, als Performerin, lässt sie die Gegenstände selber klingen und man darf zugucken. Auch das Problem von „wohin mit den Händen“ ist nun gelöst. Sie führen die Handlungsanweisungen aus, bewegen die Gegenstände, klettern an der Mauer des Kaskadenkondensators hoch. Performance macht handlungsfähig.

Nicht zuletzt nimmt man die schauspielerischen Fertigkeiten wahr: der gekonnte Gebrauch und Umgang mit Sprache und Stimme, die Rhythmisierung der Performance, der rote Faden, das Behandeln, die Handhabung des Themas, der Handlung, das Wiederaufführen. Das sitzt, gelernt ist gelernt und kommt der Performance zu Gute.

Herzliche Gratulation zu diesem Projekt liebe Angela und herzlichen Dank!

Irene Maag, April 2018

Zurück