ANGEL

Solo-Performance

Erstaufführung: 1. Oktober 2005, Blauer Saal im Löwenbräuareal Zürich

Anhand meiner eigenen Bühnengeschichte vollziehe ich in der Performance «Angel» eine Metamorphose von der Schauspielerin in die Performerin. Als Schauspielerin war ich es über Jahre gewohnt, im Blick von unterschiedlichsten, meist männlichen Regisseuren mit meinem Körper in verschiedene Frauenrollen zu schlüpfen und mit meiner Stimme verschiedenste Fremdtexte zu sprechen. Als Performerin arbeitete ich stets in eigener Regie oder Co-Regie, anfangs vorwiegend mit dem Körper und dann mehr und mehr auch mit eigenen Texten.
Nach Jahre langem Hin und Her zwischen den zwei oben beschriebenen Bühnenexistenzen bin ich inzwischen dahin gekommen, dass ich Performerin und nicht Schauspielerin bin, dass ich nur noch aus diesem Selbstverständinis heraus die Bühne betrete. Wenn dann ab und an die Performerin die Schauspielerin in einer Rolle ergreift, ist das ok, aber nicht andersrum!
Am Anfang steht die Ton-Installation mit sechs Lautsprechern, in denen verschiedene Rollentexte hörbar sind. Mit der Zeit fangen die Stimmen in den Lautsprechern miteinander in Dialog zu treten, so dass eine Art akustisches Bühnenstück entsteht. Nach ca. 10 Minuten betritt Titty den Bühnenraum. Titty tritt ans Mikrophon; aber Tittys Stimme ist nicht vorhanden, es sind noch im Körper artikulierte Gedanken da, die aber stimmlich nicht sichtbar werden – die Stimme hat oft die Funktion, einen Menschen an die Gesellschaft festzubinden, zu diesem Zweck muss die Stimme unsichtbar werden – Titty’s Stimme ist ganz unsichtbar geworden. Ihr ganzes Verhalten wirkt wie ein chemischer Klebstoff. Sie ist die Verkörperung der perfekten Werbe-Frau-Rolle. Sie lächelt. Sie lächelt unaufhörlich.
Nach ca. 15. Minuten beginnt eine suksessive Verwandlung der Schauspielerin in der Rolle von Titty in die Performerin: Auf der Tonebene lösen sich die Rollentexte langsam auf und es entsteht ein fragmentiertes Stimmenrauschen, so dass jede Sprachähnlichkeit mit Ausnahme des Rhythmus ausgelöscht wird. Es entsteht ein Stimmenkörper. Was zu hören ist, sind die natürlichen, durch die Sprache gegliederten Resonanzschwingungen. Auf der Performanceebene verwandelt sich Titty in einen Vogel, durch den die Peformerin und ihre Stimme sichtbar werden. In der Weiterentwicklung ist es ein Spiel mit der menschlichen Stimme und mit der Zeit werden Gefühle und Gedanken sichtbar, die von der Stimme getragen werden. «Angel» endet in einem «Nur-Atmen».

Fotos: Leo Bachmann

Kritik zu Angel